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blog 201 - freud

08.04.2015 06:41

der mensch warf sich im laufe seiner kulturentwicklung
zum herren über seine tierischen mitgeschöpfe auf.

aber mit dieser vorherrschaft nicht zufrieden,
begann er eine kluft zwischen ihr und sein wesen zu legen.

er sprach ihnen die vernunft ab
und legte sich eine unsterbliche seele bei,
berief sich auf eine hohe göttliche abkunft,
die das band der gemeinschaft mit der tierwelt
zu zerreissen gestattete.

der priester wird die wesensgleichheit
von mensch und tier nie zugeben,
da er auf die unsterbliche seele nicht verzichten kann,
die er braucht, um die moralforderung zu begründen.

ich ziehe die gesellschaft der tiere der menschlichen vor.
gewiss, ein wildes tier ist grausam.
aber die gemeinheit ist das vorrecht des zivilisierten menschen.

(sigmund freud, 1856-1939)

de.wikipedia.org/wiki/Sigmund_Freud

sigmund freud, österr. psychoanalytiker

österreich 1937:
der 17-jährige franz huchel verlässt sein heimatdorf,
um in wien als lehrling in einer trafik
einem tabak- und zeitungsgeschäft
sein glück zu suchen.
dort begegnet er dem stammkunden sigmund freud
und ist sofort fasziniert von ihm.
im laufe der zeit entwickelt sich eine ungewöhnliche freundschaft
zwischen den beiden unterschiedlichen männern.
als sich franz kurz darauf hals über kopf
in die varietétänzerin anezka verliebt
und in eine tiefe verunsicherung stürzt,
sucht er bei dem alten professor rat.
dabei stellt sich jedoch schnell heraus,
dass dem weltbekannten psychoanalytiker
das weibliche geschlecht ein mindestens
ebenso grosses rätsel ist wie franz.

 

aus werners e-book-markierungen
robert seethalers roman 'der trafikant':

anfang oktober wehte der erste herbstwind
die hitze aus den strassen und die hüte
von den köpfen der passanten.
hin und wieder sah franz eine kopfbedeckung
an der trafik vorüberkollern,
gleich gefolgt von ihrem hinterherstolpernden besitzer.

schulkinder purzelten herein und fragten
nach buntstiften oder sammelbildchen,
alte damen wollten plaudern,
alte herren wollten ihre ruhe
und schweigend titelbilder betrachten.
manchmal bat einer der männlichen stammkunden
mit verräusperter stimme,
einen blick in die „lade“ werfen zu dürfen.
es war dies eine unauffällige schublade unter der verkaufstheke,
die vom trafikanten immer sorgfältig verschlossen gehalten
und eben nur auf besonderen kundenwunsch geöffnet wurde.
darin befanden sich die seit jahren streng verbotenen,
sogenannten „zärtlichen magazine“
(beziehungsweise die „wichsheftln“ oder „hobelbroschüren“,
wie der trafikant sie zu nennen pflegte).
die männer blätterten ein bisschen darin herum,
versuchten währenddessen
eine möglichst uninteressierte miene aufzusetzen
und nahmen dann vielleicht ein, zwei
von franz blickgeschützt
in braunes packpapier eingewickelte heftchen mit.

„einen schilling, wennst dir das programm anschauen willst.
wenn nicht: der ausgang ist da, wo grad noch der eingang war!“

„junger mann“, sagte freud und hielt inne,
„man muss das wasser nicht verstehen,
um kopfvoran hineinzuspringen!

ich glaube, ich kenne deine 'gewissen gründe' ganz gut.
aber lass dir eines sagen:
die gründe von heute
sind morgen schon die gründe von gestern
und spätestens übermorgen sind sie vergessen.“

franz: „könnte es vielleicht sein,
dass ihre couchmethode nichts anderes macht,
als die leute von ihren ausgelatschten,
aber gemütlichen wegen abzudrängeln,
um sie auf einen völlig unbekannten steinacker zu schicken,
wo sie sich mühselig ihren weg suchen müssen,
von dem sie nicht die geringste ahnung haben,
wie er aussieht, wie weit er geht
und ob er überhaupt zu irgendeinem ziel führt?“

gerade in letzter zeit fühlte sich freud oft überfordert
von den erschöpfenden stunden mit seinen patienten
und betrachtete ratlos deren leid,
das bei jedem einzelnen die ganze welt zu umfassen schien.

doch, so franz, der professor war dermassen klug,
dass er sich die bücher, die er lesen wollte,
gleich auch selber schreiben konnte.