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blog 0222 - blutige schleusslichkeit

10.06.2015 08:00

es ist gewiss, dass dieses scheussliche blutbad,
welches unaufhörlich in unseren schlachthäusern und küchen stattfindet,
uns nicht mehr als ein übel erscheint.

im gegenteil betrachten wir diese scheusslichkeit,
welche oft pestilenzialisch wirkt,
als einen segen des herrn und danken ihm
in unseren gebeten für diese mördereien.

kann es denn aber etwas abscheulicheres geben,
als sich beständig von leichenfleisch zu ernähren?

und dennoch finde ich unter uns keinen sittenlehrer,
keinen unter unseren geschwätzigen predigern,
selbst keinen unter unseren scheinheiligen muckern,
der den geringsten einwand erhöbe gegen diese schändliche,
uns zur natur gewordene gewohnheit.

man muss bis auf den frommen porphyrius
und auf die mitfühlenden pythagoräer zurückgehen,
um jemanden zu finden,
der uns wegen unserer blutigen gefrässigkeit beschämt;
o
der wir müssen zu den indern reisen

(francis de voltaire, 1694-1778) 

de.wikipedia.org/wiki/Voltaire

voltaire war ein französischer philosoph und schriftsteller.
er ist einer der meistgelesenen und einflussreichsten autoren
der französischen und europäischen aufklärung.

mit seiner kritik an den missständen des absolutismus
und der feudalherrschaft sowie am weltanschaulichen monopol
der katholischen kirche war voltaire ein vordenker der aufklärung
und ein wichtiger wegbereiter der französischen revolution.

in der darstellung und verteidigung dessen, was er für richtig hielt,
zeigte er ein umfangreiches wissen und einfühlungsvermögen
in die vorstellungen seiner zeitgenössischen leser.

sein präziser und allgemein verständlicher stil,
sein oft sarkastischer witz und seine kunst der ironie
gelten oft als unübertroffen.