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blog 0195 - die ursache bin ich selbst

29.03.2015 09:21

über den stierkampf.

das ist der urtrieb im menschen,
der geht ja durch alle schichten und alle menschen -
das töten.

die zivilisierte menschheit macht es auf versteckte art,
sie bringt anständig um.

das ist die primitive art, die blutrünstigste,
kann man im wahrsten sinn des wortes sagen.

das ganze ist unter dem titel der ehre.

es ist eine ehre für den stier,
dass er da unter einem schauerlichen gemetzel sterben darf.

das ist wie jedes theater auch total verlogen.
hochelegant, obwohl die hochelegante sache
im grunde eine infernalische ist.

grauenhaft. entsetzlich. lauter schlächter,
das letzte an menschen überhaupt, was es gibt.

(thomas bernhard, 1931-1989) 


www.youtube.com/watch?v=0B0cGpyWepQ

thomas bernhard zum thema stierkampf:
„die ursache bin ich selbst“, 3sat, 1998

nicolas thomas bernhard war ein österreichischer schriftsteller.
1970 erhielt bernhard den georg-büchner-preis;
seit den 1980er jahren wird er international
zu den bedeutendsten deutschsprachigen autoren gerechnet.

bernhard wurde in ein nationalsozialistisches erziehungsheim geschickt.
man hatte in der familie das von einer sozialbetreuerin
empfohlene salzburgische saalfelden,
wo er zu seiner erholung sein sollte,
mit dem thüringischen saalfeld verwechselt.

die in saalfeld gemachten traumatischen erfahrungen
beschrieb bernhard in seiner autobiografie.

der tod und die relativierung aller anderen werte
angesichts der steten bedrohung durch ihn
wurden in seinen werken zu einem der wichtigsten motive.

in seinen oft verschachtelten sätzen
meint man die atemlosigkeit,
unter der er infolge seiner lungenkrankheit
vielfach zu leiden hatte, zu verspüren.

seine 'erregungen', seine innere wut,
die ausdruck immer wieder erlittener
verletzungen und enttäuschungen sind,
kommen in den monologen seiner theaterfiguren
und den gedanken seiner ich-erzähler
in den prosatexten immer wieder zum vorschein.

ein besonderes stilistisches merkmal von bernhards prosa
ist eine technik der steigerung, der übertreibung,
des sich hineinsteigerns beziehungsweise
des sich versteigens in fixe ideen,
was jeweils sehr kunstvoll
durch eine wiederholungstechnik orchestriert wird,
in der zum einen bestimmte themen,
versatzstücke und abfällige bezeichnungen
mit hoher frequenz wiederholt werden und dabei –
gerade wenn der leser denken mag,
das sei nicht mehr möglich –
zudem nochmals gesteigert werden.

zudem sind seine werke meist,
verglichen mit anderer avantgardistischer literatur,
gut verständlich, da bernhard philosophischen passagen
stets alltägliche, oft geradezu banale betrachtungen gegenüberstellt,
wodurch er ihnen ihren allzu grossen ernst nimmt.

neben all seiner harten kritik an den bestehenden verhältnissen
gibt es in seinem werk viele berührende und radikal ehrliche momente.

die in seinen texten beschriebene abneigung gegenüber österreich
löste regelmässig heftige gegenreaktionen aus.
die öffentliche entrüstung steigerte
den buchabsatz bernhards erheblich,
durch die täglichen schlagzeilen wurde er schnell bekannt.

einer der wenigen bekennenden bernhard-verehrer
war der kabarettist hanns dieter hüsch.