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blog 0119 - augen

19.12.2014 07:21

hinter dem wagen stand ein kleiner käfig
mit zwei halb verhungerten wölfen.
sie kamen, als sie franziskus sahen, an das gitter
und betrachteten ihn mit grossen grünen augen.

franziskus traten tränen in die augen:
meine brüder, meine wilden brüder,
und gefangen hinter stäben!

und der eine wolf erhob seine stimme:
bruder, der du wider willen oder wissen
freundlich uns besuchst,
denke oft an uns gefangene!

auch wir wandelten durch wald und weite,
feld und freiheit, einst wie du!
hatten liebe, hatten leben.
unsere stählern festen sehnen
trugen flink uns über moos und stein.
keinem feind gelang mit uns der kampf.

unsere kinder jubelten,
wenn wir das futter brachten.

sonne war in unseren augen.
unsere augen waren sonnen in der nacht.
aber uns bezwang das schicksal,
mächtig aus des menschen hand gemacht.

viel erbärmliches ist,
doch nichts erbärmlicheres als der mensch.
unser hunger ist ihre sättigung.
unsere qual ihre lust.
unser tod ist ihr leben.
unsere liebe ihr hohn.  

(klabund bzw. alfred henschke, 1890-1928)

www.dhm.de/lemo/biografie/klabund

alfred henschke wählte 1912 das pseudonym klabund,
was er anfangs als eine zusammensetzung
aus den beiden wörtern klabautermann und vagabund erklärte.

klabund war ein deutscher dichter, dramatiker, lyriker, erzähler
zwischen impressionismus und expressionismus.
sein werk war, da stark erotisch oder pazifistisch,
häufigen anfeindungen ausgesetzt.

1915 wurde klabund in einem prozess
zu einer geringen geldstrafe verurteilt.
der prozess war für ihn eine grossartige werbung.

im laufe des krieges wandelte sich klabund zum kriegsgegner.
beeinflusst wurde er in dieser wandlung durch brunhilde heberle,
seine zukünftige frau, die er mit ihrem zweiten vornamen irene,
das heisst „die friedliche“, nannte.

er schloss sich einem kreis pazifistischer emigranten an.
in monti sopra locarno wohnten oder verkehrten
ernst bloch, hermann hesse, emmy hennings,
else lasker-schüler und der naturprophet gusto gräser.

in der schweiz gehörte er zum kreis um rené schickele,
für dessen pazifistische weisse blätter er auch schrieb.

häufig war er in moralische und politische skandale verwickelt,
wegen gotteslästerung angeklagt, immer vom tode bedroht.

klabund verfasste 25 dramen und 14 romane,
viele erzählungen und zahlreiche nachdichtungen.